Kügelchen aus dem Weltall in Albhöhlen gefunden

GEISLINGEN Eisenkügelchen aus dem Weltall haben Wissenschaftler in den Höhlen rund um Geislingen/Steige (Kreis Göppingen) entdeckt. Sowohl in der Laierhöhle als auch im Mordloch fanden Geologen diese sogenannten „Sphärulen“.
Geologen des Instituts für Planetologie der Universität Stuttgart haben zuletzt in drei Höhlen der Schwäbischen Alb erstaunliche Funde gemacht. In der 1996 entdeckten Laierhöhle in Weiler, der mit 126 Meter tiefsten der bislang bekannten Höhlen der Schwäbischen Alb, sowie im Mordloch im Roggental und in der Laichinger Tiefenhöhle (Alb-Donau-Kreis).
Der Donzdorfer Karst- und Höhlenforscher Marcel Strasser vom Kahlensteiner Höhlenverein hat zusammen mit der Geologin Annette Strasser und drei weiteren Stuttgarter Kollegen überraschend exotische Kügelchen entdeckt, die offensichtlich nicht von der Erde stammen. Es handelt sich dabei um bis zu zweihundert Mikrometer große magnetische, sogenannte kosmische Sphärulen aus Eisenoxid-Mineralen, die im Laufe der Erdneuzeit durch Karstprozesse in die Höhlenlehme eingetragen und dort bis heute konserviert wurden.
„Die Kügelchen haben wir bisher in den mittleren und oberen Stockwerken der Laierhöhle und der Laichinger Tiefenhöhle gefunden, ebenso im Mordloch. Wir sind uns mittlerweile sicher, dass die Kügelchen kein irdisches Phänomen sind“, sagt Marcel Strasser.
Tatsächlich unterscheiden sich die Höhlenkügelchen deutlich von den eisenreichen Bohnerzen und den vulkanischen Eisenmineralen, wie sie häufiger in der Umgebung vorkommen. „Die Bohnerze der Schwäbischen Alb, die früher zur Eisengewinnung abgebaut wurden, und die vulkanischen Produkte des nah gelegenen tertiären Urach-Kirchheimer Vulkangebiets, das vor rund 13 Millionen Jahren aktiv war, sind chemisch völlig unterschiedlich zusammengesetzt und zeigen auch andere Formen“, stellt der Vulkanologe Jörg Kröchert fest.
„In einer der Sphärulen konnten wir einen erhöhten Gehalt an Nickel und Kobalt feststellen, was sehr für einen extraterrestrischen Ursprung der Kügelchen spricht“, erklärt Privatdozent Dr. Elmar Buchner, Leiter des Fachbereichs Impaktforschung der Universität. „Das können wir genauso in Eisenmeteoriten beobachten, in denen diese sonst eher seltenen Metalle in einem ähnlichem Mengenverhältnis enthalten sind. So gesehen könnte man die Kügelchen als fossile Mikro-Meteoriten in den Höhlen bezeichnen“, erläutert der Wissenschaftler weiter.
„Die Kügelchen sind Ablationsprodukte (Ablösungsprodukt) von Eisenmeteoriten, die dann entstehen, wenn die Meteoriten beim Eintritt in die Erdatmosphäre unter großer Luftreibung randlich aufgeschmolzen werden. Annähernd identische Kügelchen kennen wir zum Beispiel von Polen und Estland, wo die Sphärulen im Zuge größerer Meteoriteneinschläge entstanden sind“, erklärt Martin Schmieder, Impaktforscher (Impakt = Einschlag eines Himmelskörpers) am Institut für Planetologie noch etwas ausführlicher. „Leider können wir momentan noch wenig zum Entstehungsalter der Sphärulen sagen – wir wissen aber, dass die Kügelchen älter als 250.000 Jahre sind und daher nicht menschlichen Ursprungs sein können“, ergänzt Marcel Strasser, „das haben Altersdatierungen an den Sinterbildungen in der Laichinger Tiefenhöhle durch den Laichinger Höhlenverein ergeben“.
„Wir sehen einmal mehr, wie wichtig die Höhlen für unsere regionale Landschaftsgeschichte sind und welch außergewöhnliche naturhistorische Bedeutung die Schwäbische Alb nicht nur deutschlandweit hat“, bemerkt dazu Annette Strasser, die sich mit der Modellierung der regionalen Landschaftsentwicklung befasst.
„Die Höhlen der Schwäbischen Alb haben hier in einzigartiger Weise ein kosmisches Ereignis aufgezeichnet, das sich möglicherweise in der vorletzten Eiszeit oder sogar schon einige Millionen Jahre früher, im Tertiär, ereignet hat. Offensichtlich gibt es auch auf der altehrwürdigen Schwäbischen Alb immer noch geologische Überraschungen“, resümiert Schmieder.
Künftig soll weiter an den kleinen extraterrestrischen Besuchern in den Höhlen der Schwäbischen Alb geforscht werden.