200 Gäste folgen der Einladung zum Info-Abend
Grabenstetten. Das Leben der Fledermäuse faszinierte am Samstagabend, 14. November 2015, die 200 Besucher zumindest genauso wie die Forschungsdoku aus dem Schwarzmooskogel-Höhlensystem im Salzburger Land. Die Arge Grabenstetten hatte zum Gäste- und Informationsabend geladen, und alle kamen
Eine gut besuchte Falkensteinhalle, aufmerksame Zuhörer, alles passte wieder beim jährlichen Info-Abend der Grabenstettener Höhlenforscher. Als Referenten hatten die Veranstalter den Diplom-Biologen Erwin Rennwald aus Rheinstetten geladen, der im vergangenen Winter im Auftrag des Regierungspräsidiums Stuttgart auf der Alb eine Untersuchung zum Fledermausbestand durchgeführt hat. Dazu hatte sich der 58-Jährige die Hilfe der Höhlenforscher erbeten, was er jetzt mit einem spannenden Vortrag zu seinen Ergebnissen dankte. 22 bis 26 Arten dieser Kleinsäuger gibt es noch in Deutschland, weltweit sind es etwa 1000, berichtete der Wissenschaftler. Die Flattertiere, die in einer zunehmend für sie lebensfeindlichen Umgebung durchgehalten haben, tragen so schöne Namen wie Hufeisennase, Mausohr, Wasser-, Bart- oder Zwergfledermaus. Die Langflügelfledermaus, in den 50er-Jahren noch mit ansehnlichem Bestand – vor allem am Kaiserstuhl – zu finden, ist ausgestorben, 1996 wurde laut Rennwald noch ein Tier in Tübingen gesichtet.
Die kleinen Flatterer, sie wiegen zwischen 4,5 und 50 Gramm, sind in den Höhlen, wo sie sich im Regelfall zurückziehen, nicht einfach zu finden. Verborgen in Nischen und Spalten überwintern sie teilweise ab Ende September und oft bis Mai in einer Art Winterstarre. Statt zehn Atemzügen in der Minute, gibt’s dann nur noch einen in anderthalb Stunden, sagt Rennwald und fordert die Zuhörer schmunzelnd auf: „Das sollten Sie mal nachmachen“- Der Körper der Kleinsäuger kühlt von 37 Grad Körpertemperatur auf etwa fünf Grad runter. Die Jäger der Nacht, die im Sommer bis zu 2000 Insekten in der Dunkelheit verspeisen, verlieren rund 30 Prozent ihres Körpergewichts. Es ist deshalb äußerst wichtig, dass sie in ihren Winterquartieren nicht gestört werden, macht der Biologe deutlich. Wobei die Schutzzeiten eigentlich individuell den Quartieren und ihrem Bestand angepasst werden müssten und nicht einfach generalisiert festgelegt werden könnten.
Von der Sozialstruktur her sind die Tiere sehr gesellig, zumindest was die Weibchen betrifft, weil sie fast alle gleichzeitig im Frühjahr ein Baby gebären. Der Nachwuchs wird dann in großen Kolonien, den sogenannten Wochenstuben, aufgezogen, die sich oft auf Dachstühlen von Kirchtürmen oder größeren Altbauten befinden, die gut zugänglich sind. Als eines der größten Fledermausquartiere nennt der Biologe das Kloster Maulbronn.
Männchen hingegen sind Einzelgänger, sie haben in den Wochenstuben, in denen bis zu zehn oder 15 Generationen an Kindern, Müttern, Tanten, Schwestern und Omas leben, nichts zu suchen. Im Herbst kommen sie beim sogenannten Schwärmen vor Paarungsquartieren mit drei bis vier „Besamern“ zusammen. Der Samen bleibt in einer Samentasche bis nach dem Winter, erst dann erfolgt der Eisprung. Wer der Vater des Kindes ist, weiß die Fledermaus-Mama also nicht.
Auch zur Anatomie der kleinen nützlichen Tiere hatte der Wissenschaftler beeindruckende Daten. So haben sie in der Flughaut einen Schwanz, Arme Beine und Finger, alles etwas anders dimensioniert, um eben flugtauglich zu sein. 15 bis 23 Zentimeter Flügel- Spannweite haben heimische Tiere, bei anderen Arten weltweit kann sie aber auch 1,7 Meter betragen. Und die Geschichte der blutsaugenden Vampire, die ihre 38 Zähnchen in menschliches Fleisch beißen und ihn aussaugen, gehört weitgehend ins Märchenreich. In der Tat gibt es auf anderen Kontinenten solche Vampire, die aber allenfalls mal an Großvieh „einen Drink“ nehmen. Fast alle Fledermausarten sind Insektenjäger oder Vegetarier.
Spannend auch noch die Informationen dann zur Ultraschallorientierung, die mit 20 bis 120 Kilohertz erfolgt und rund 130 Dezibel laut ist. „Seien Sie froh, dass Sie den Ultraschall nicht hören können“, sagte Rennwald schmunzelnd. Er stattet Fledermäuse häufig mit Minisendern aus, um ihren Aktionsradius zu erkunden, der bis zu 15 Kilometer betragen kann.
Nach so viel Tierischem warteten dann noch Arge-Vorsitzender Fritz Mammel und Wieland Scheuerle mit einer Multimedia-Dokumentation zu den bereits 35 Jahren andauernden Forschungen von Vereinsmitgliedern im zweitgrößten Höhlenlabyrinth in Österreich auf. Das Schwarzmooskogel-Höhlensystem ist in dieser Zeit auf fast 115 Kilometer angewachsen. Ausgangspunkt für die Forschungen ist der Loser bei Altaussee im Salzkammergut. Dort, in unmittelbarer Sichtweite zum Dachstein, befindet sich ein zwei auf vier Kilometer großes Karstplateau unter dem sich das riesige System an Gängen, Röhren und Schächte verzweigt und eine Tiefe von 1104 Meter erreicht. Erschlossen wurde es von den Alb-Höhlenforschern über den sogenannten „Schwabenschacht“. Mit an den Forschungen beteiligt ist ein englisches Team aus Cambridge. Die Höhlenforscher entlocken dem Schwarzmooskogel-Höhlen seit Anfang der 90er-Jahre bei jährlichen zwei- bis dreiwöchigen Expeditionen in riesigen Materialschlachten mit Biwaks ihre Geheimnisse. Von sportlichen Herausforderungen spricht dabei Wieland Scheuerle und von Kameradschaft, Teamgeist und Gemeinschaftserlebnis. Das Ganze kombiniert mit wissenschaftlicher Arbeit, die sehr viele Disziplinen umfasst und viele Erkenntnisse beispielsweise auch über Klimaveränderungen erbringt. Die faszinierend Filmaufnahmen und Fotos machen deutlich: Bei viel Quälerei macht es den zehn bis 15 Mitglieder starken Forschungsteams aber auch unheimlich viel Spaß.