Geheimniskrämerei um die Tiefen der Alb beim Trassenbau der Bahn
STUTTGART (ra). Das Wassermanagement beim Durchstoß der Alb für die Neubaustrecke der Bahn-Schnellbahntrasse Stuttgart-Ulm dürfte eines der geologischen Risiken sein, das bislang nur wenig diskutiert wurde. Jüngst hat der Landesverband der Höhlen- und Karstforscher Baden-Württemberg (LHK) eine Zusammenarbeit mit der Bahn angekündigt, wobei darauf hingewiesen wurde, dass beteiligte Forscher zu schweigen hätten. Erst gestern meldete die Stuttgarter Zeitung: (Zitat: Petra Boldt, Vorsitzende des Höhlenforscherbandes) „Es gibt noch keine festen Abmachungen, es ist alles in der Schwebe“. (Zitat Ende).
Und während in Höhlenforscherforen der LHK ob seiner Entscheidung von einzelnen bejubelt wird (Zitat) „Alles in allem halte ich das große Engagement des LHK, insbesondere von dessen Vorstand Petra Boldt, für absolut vorbildlich. Hier werden Maßstäbe gesetzt, an der sich zukünftig vielleicht die Höhlenforschung in ganz Deutschland messen lassen muss!“ (Zitat Ende), sieht es die Stuttgarter Zeitung (StZ) etwas kritischer. Unter der Überschrift „Höhlenforscher sollen schweigen“ stellt der Autor Thomas Braun den Konflikt innerhalb der Forscher in der Ausgabe vom 2. Februar 2011 sehr sachlich und analysierend dar. Den Grund für den Maulkorb-Erlass für die Forscher durch die Bahn sieht der Autor so: Zwar beteuert die Bahn auch weiterhin, die Risiken im Untergrund seien entweder nicht vorhanden oder zumindest beherrschbar. Doch der Konzern hat vorgebaut: Nach StZ-Informationen hat die Bahn die Kooperation mit den ehrenamtlichen Höhlenforschern davon abhängig gemacht, dass diese zumindest während der Bauzeit „strikte Vertraulichkeit“ zu wahren haben. Sollten die Mineure der Bahn also unerwartet auf unbekannte Hohlräume stoßen, dürfe dies der Öffentlichkeit gegenüber zunächst nicht kundgetan werden. Manche Speläologen (so der lateinische Begriff für Höhlenforscher) haben kein Verständnis für den „Maulkorb“, der Dachverband aber spielt die Thematik herunter. „Es gibt noch keine festen Abmachungen, das ist alles noch in der Schwebe“, sagt die Verbandsvorsitzende der Höhlenforscher, Petra Boldt. Man habe verschiedene Möglichkeiten der Kooperation durchgespielt.
Und weiter: Beim Kommunikationsbüro des Bahnprojekts heißt es, im Februar werde es ein erstes Treffen geben. Zugleich wird versichert, dass solche Schweigeparagrafen nichts Unübliches oder gar Anrüchiges im Geschäftsleben seien. Schließlich sei es wenig hilfreich, wenn unausgegorene Informationen an die Öffentlichkeit gelangten, heißt es. Das entspricht der sogenannten One-Voice-Strategie der Konzernspitze in Sachen Öffentlichkeitsarbeit.
Thomas Braun, der nicht der Forscherszene angehört, beschreibt unter anderem auch den Fall Bleßberghöhle in Thüringen: Manche Höhlenspezialisten fürchten dagegen schlicht, in ihrem Forscherdrang ausgebremst zu werden, und erinnern an den Fall der Bleßberghöhle, die im März 2008 beim Bau der Schnellbahntrasse Nürnberg-Erfurt im Thüringer Karst entdeckt worden war. Arbeiter versuchten damals zunächst, die riesige Tropfsteinhöhle mit mehreren Hundert Kubikmeter Beton zu verfüllen. Nachdem dies wirkungslos blieb, schaltete die Bahn zunächst das Eisenbahnbundesamt ein, auch Höhlenforscher wurden hinzugezogen.
Deren Bitten, die Höhle für eine spätere Erforschung zugänglich zu halten, wurde vom Konzern erst einmal ignoriert. Der örtliche Bund für Umwelt und Naturschutz erstattete daraufhin Anzeige wegen Verstoßes gegen das europäische Naturschutzrecht. Wenige Tage später stellte die Bahn auf öffentlichen Druck die Tunnelgrabung vorübergehend ein, um den Forschern zwei Wochen Zeit für eine Erkundung einzuräumen. Bereits nach sieben Tagen jedoch wurde die Höhle verschlossen. Der Chef des Thüringer Höhlenvereins warf der Bahn einen Bruch der Absprachen vor.
Und dann wundert sich der Autor: Bei der Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen ist die Bahn übrigens weniger rigide, was Auskünfte angeht. So durfte dieser Tage ein Vertreter des Landesdenkmalamts ohne Bahn-Pressesprecher an seiner Seite über archäologische Funde berichten, die bei der Erkundung der ICE-Strecke über die Alb entdeckt worden sind. Sein Fazit: es sei „spannend, wie viel auf dieser Trasse anfällt“.
Den ganzen Beitrag der StZ gibt es hier, sofern der Link noch geschaltet ist:
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2798527_0_9223_-stuttgart-21-hoehlenforscher-sollen-schweigen.html