Professor Dr. Wolfgang Ufrecht zum Verhalten in Höhlen
LAICHINGEN. In einem Interview mit der Ulmer Südwest Presse (SWP) hat sich der Geologe und Höhlenforscher Professor Dr. Wolfgang Ufrecht zum Verhalten bei Höhlenbesuchen geäußert. Das Interview führte Joachim Striebel. Es sei wichtig, auch Laien die Höhlen und ihre Bedeutung näherzubringen, sagte der Geologe, der Mitglied im Höhlen- und Heimatverein Laichingen ist. Höhlenbesucher müssen sich an bestimmte Regeln halten.
Höhlen sind menschenfeindliche Räume. Was fasziniert Sie an der Welt ohne Sonnenlicht und Wärme?
WOLFGANG UFRECHT: Es ist die Neugier auf das Neuland, das Unentdeckte, und wohin Gänge und Schächte führen mögen. Es schafft ein Glücksgefühl, einen Raum zu erkunden, den vorher niemand betreten hat. Höhlen sind eine Wildnis unter der Erde, Hunderttausende oder Millionen Jahre alt. Da wächst der Wunsch zu verstehen, wie es zu solchen Hohlräumen kommt.
Was sollten Höhlenbesucher beachten?
UFRECHT: Die Höhle sollte so verlassen werden, wie sie angetroffen wurde. Es gilt die Regel: Nimm nichts mit und lass nichts zurück. Tiere, beispielsweise Fledermäuse, dürfen nicht gestört werden. Offenes Licht in der Höhle und Feuermachen am Eingang sind tabu. Wer sich in einen Hohlraum begibt, der nicht zur Schauhöhle ausgebaut ist, muss natürlich die Sicherheit beachten. Dazu gehört etwa, nicht nur eine einzige Lampe mitzunehmen. Bei wasserführenden Höhlen wie der Falkensteiner Höhle sind unbedingt die Witterungsverhältnisse zu beachten, da der Flusspegel rasch ansteigen kann. Es empfiehlt sich, Höhlenexperten zu fragen.
Die Schwäbische Alb gilt als löchrig wie ein Schweizer Käse. Gibt es noch viele unentdeckte Löcher?
UFRECHT: Auf der Alb gibt es rund 2800 Höhlen, die meisten sind recht klein. Früher haben Forscher die Oberfläche abgesucht, da würde man heute nicht mehr viel finden. Aber es lohnt sich, in jede Baugrube zu blicken. In Laichingen sind 20 Schächte bei Bauarbeiten angeschnitten worden. Auch die tiefste Höhle der Alb, die 115 Meter tiefe Laierhöhle bei Geislingen-Weiler, liegt unter einer Garage. Neue Entdeckungen gibt es im Untergrund. Das beste Beispiel ist das Blauhöhlensystem bei Blaubeuren. In den 60er Jahren waren Taucher 150 Meter weit vorgedrungen. Heute misst das System 6,5 Kilometer.
Wird die Liste der Alb-Schauhöhlen noch länger werden?
UFRECHT: Außer in Blaubeuren gibt es derzeit auf der Alb keine Bemühungen. Die Besucherzahlen sind eher rückläufig. Um die Zahlen zu halten, müssen sich die Betreiber anstrengen und Zusatzangebote machen wie Sonderausstellungen, einen Geologie-Pfad oder pädagogische Programme.
Besucher verändern eine Höhle, beispielsweise wächst durch künstliches Licht Moos. Was können die Betreiber tun, um die Ursprünglichkeit zu erhalten?
UFRECHT: Eine Schauhöhle bedeutet immer einen Eingriff. Das ist vergleichbar mit den Bergen, wenn dort Wege angelegt werden. Es ist aber wichtig, den Menschen die Natur ein Stück näherzubringen. Die Laichinger Tiefenhöhle ist ein hervorragendes Lehrobjekt, das von vielen Schulklassen besucht wird.
Wie weit dürfen die Eingriffe gehen?
UFRECHT: Eine Höhle sollte nie völlig ausgebaut werden. Um nichts zu zertrampeln, können Stege auf Stelzen angelegt werden. Die Beleuchtung muss nicht dauernd brennen, sondern nur solange jeweils die Führungen laufen. Heute wird teilweise „Kaltlicht“ verwendet, das weniger Auswirkungen hat.
Höhlen gelten ja als die besten Klima-Archive. Was kann der Wissenschaftler herauslesen?
UFRECHT: An Tropfsteinen lässt sich ein früherer Klimaverlauf rekonstruieren. Schichten zeigen einzelne Ablagerungszyklen. Man kann die Außentemperatur bestimmen, die zu bestimmten Zeitpunkten geherrscht hat. Wissenschaftler haben Tropfsteine von der Schwäbischen Alb und von den Alpen verglichen. Sie zeigen den gleichen Verlauf. Klimaschwankungen waren also keine regionalen Ereignisse. Untersucht werden auch Sedimente, die irgendwann eingeschwemmt wurden. Darin enthaltene Pollen sagen den Botanikern, welche Pflanzen damals vorkamen und welche Klimaverhältnisse geherrscht haben müssen.