Immer tiefer in die Alb hinein
Grabenstetten. Wenn Die Arbeitsgemeinschaft Höhle- und Karst Grabenstetten zum jährlichen Gäste- und Informationsabend lädt, dann dürfen die Besucher in der Falkensteinhalle mit Neuigkeiten aus der „Unterwelt“ rechnen. So auch am Samstag. Die jüngsten Forschungsergebnisse, die den gut 250 Zuhörern in Film und Foto präsentiert wurden, waren noch nicht einmal vier Wochen alt. Verwöhnt wurde das aufmerksame Publikum im zweiten Teil der Veranstaltung schließlich noch mit farbenprächtigen Bildern aus dem mittlerweile über zwölf Kilometer langen Fuchslabyrinth im hohenlohischen Muschelkalk und einem prächtigen Kurzfilm über Landschaften und Höhlen aus den Mehindinti Bergen in den Südkarpaten Rumäniens.
Um die Höhlen der Alb, und dabei im weitesten Sinne um das Blauhöhlensystem, ging’s in der ersten Stunde des Vortragsabends, der mittlerweile immer mehr Publikum anlockt. Auf beeindruckende Weise stellte Udo Wieczorek aus Ulm in seinem Film dar, wie seit acht Jahren in der mittlerweile 112 Meter tiefen Seligengrundhöhle auf der Blaubeurer Alb Meter um Meter gekämpft wird, um an das Blauhöhlensystem heranzukommen. Über eine Vielzahl von Schächten, größere Kammern und Hohlräume, die so fantasievolle Namen wie „Terra Nova“, „Seißener Halle“ oder „Narrenschacht“ erhielten, geht es Meter um Meter in die Tiefe. Es sind nur noch 35 Meter, die bis zum Niveau des Karstwasserspiegels fehlen, bis zum Blauhöhlensystem fehlen noch etwa 600 Meter. Die Forschungsarbeit in der sehr kalten Höhle – die Lufttemperatur liegt dort bei nur etwa sechs Grad, in anderen Albhöhlen sind es acht Grad – wird durch die engen Spalten, Verstürze und Schächte ziemlich schwierig. Mittlerweile sind die Wege in der von Schachtkombinationen geprägten Höhle sehr lang geworden. Doch die Forscher der Arbeitsgemeinschaft (Arge) Blaukarst, einem Verbund aus vier höhlenkundlichen Vereinen, kämpfen sich weiter voran und – daran glauben sie ganz fest – werden den Anschluss ans Blauhöhlensystem irgendwann finden.
Neue Überraschungen haben sich auch in der etwas nördlicher liegenden Hessenhauhöhle ergeben, die seit Ende Oktober auf über sechs Kilometer Länge vermessen ist. Hier gab’s für die Forscher der Arge Blaukarst im Herbst schöne Erfolge. Andreas Kücha aus Heidenheim, derzeit wohl der erfolgreichste und bekannteste deutsche Höhlentaucher, hat zusammen mit weiteren Kameraden bei etlichen Tauchgängen im nördlichsten Ast der Höhle neue Tunnelgänge und weitere Siphons entdeckt. Die letzte Auftauchstelle benannten die Forscher „Blockhaus“. Von hier aus führt der Flusslauf weiter, aber für die Forscher überraschend plötzlich nach Osten in Richtung „Kleines Lautertal“. Den Gästen präsentierten sie am Samstag spektakuläre Filmaufnahmen aus Siphons mit einer Wassertiefe von 13 Metern, 70 Metern Länge und aus tunnelartigen gigantischen Gängen, die zuvor noch nie ein Mensch betreten hat.
Doch nicht nur in diesem Flussverlauf waren die Forscher in den vergangenen Wochen und Monaten unterwegs, sondern auch in einem direkt nach Norden in Richtung Laichingen ziehenden Gangteil. Diesen benannten sie „Laichinger Diretissima“. Auch hier fließt Wasser, das wohl direkt aus dem Raum Laichingen kommt. Vor allem der hinterste Bereich dieses Höhlenabschnitts ist mit wunderschönen Sinterkristallen geschmückt, die Forscher sprechen von den schönsten Gangpassagen der Hessenhauhöhle, die nun mit den Filmen und Bildern auch der interessierten Öffentlichkeit gezeigt werden können. Während der Hauptgang in der „Diretissima“ weitgehend erkundet ist, erhoffen sich die Forscher in kleineren Nebengängen weitere Vorstöße, die dann möglichweise wieder zu größeren Hohlräumen führen.
Die Hessenhauhöhle mit einer Tiefe von 148 Metern bleibt auch weiterhin eines der spannendsten Forschungsgebiete auf der Alb, denn auch Richtung Süden, und damit direkt auf das Blauhöhlensystem zu, wird in der drittgrößten Albhöhle geforscht. Eine für den Mensch begehbare Verbindung zur Blauhöhle, dem bislang größten unterirdischen Höhlensystem der Alb, würde letzteres zu einer unterirdischen Höhlenwelt von über 20 Kilometer Länge anwachsen lassen. Michael Rahnefeld