Eiszeitkunst jetzt in Blaubeuren zu bestaunen
BLAUBEUREN Vom 1. bis 4. November sind im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis) die neu entdeckten Eiszeitfiguren vom Vogelherd im Original zu sehen. In zwei Höhlenräumen werden Mammut und Löwe gezeigt. Diese Figuren gehören zu den ältesten Kunstwerken der Menschheit und werden nun erstmals in einer kleinen Ausstellungstour der Öffentlichkeit gezeigt. Dies teilt das Museum mit.
Aus dem Vogelherd sind insgesamt sechs Mammutdarstellungen bekannt. Zwei und ein Viertel Mammut werden im Original zu sehen sein. Neben der neu entdeckten Figur, wird auch das große vollplastische Mammut aus der Grabung von 1931 gezeigt. Die Universität Tübingen stellt diese Leihgabe zur Verfügung. Außerdem wird erstmals ein weiteres Bruchstück einer Mammutfigur öffentlich ausgestellt. Hinzu gruppieren sich Abgüsse der anderen Mammutfiguren vom Vogelherd.
In die Höhle des Löwen begeben sich die Besucher für die neu entdeckte Löwenfigur. Auch hier werden dem Original die anderen bekannten Katzendarstellungen vom Vogelherd, Löwe und Schneeleopard, gegenüber gestellt.
Während der gesamten Ausstellungsdauer werden Fachwissenschaftler in den Räumen sein und Besucherfragen beantworten. Grabungstechniker vom Institut für Ur- und Frühgeschichte werden im Museum die Auswertungsarbeiten am Grabungsmaterial vom Vogelherd live fortsetzen.
Das Besondere an der Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb
Die eiszeitlichen Kunstwerke vom Vogelherd stammen aus dem altsteinzeitlichen Technokomplex des Aurignacien, der in Süddeutschland zwischen 40.000 und 30.000 Jahre alt ist. Zusammen mit anderen figürlichen Darstellungen aus dem Hohlenstein-Stadel im Lonetal, und dem Geißenklösterle und Hohle Fels im Achtal, gehören die Schnitzereien vom Vogelherd mit zu den ältesten Kunstwerken der Menschheit. Vor 40.000 Jahren erreichte der anatomisch moderne Mensch Europa und verdrängte dabei die Neandertaler. Neben technischen Neuerungen entwickelten die Menschen damals Rituale und Symbole, die in der Eiszeitkunst überliefert sind. Außerdem zeigen sich Individualität und Kreativität im ersten Auftreten von Schmuckstücken und Musikinstrumenten. Die Fundhöhlen der Schwäbischen Alb lieferten wichtige Belege für diese Übergangszeit vom Neandertaler zum modernen Menschen.
Das konkrete Alter der Figuren
Die Elfenbeinfiguren vom Vogelherd können nicht direkt datiert werden. Anstatt dessen wird das Alter von Knochenkohlen oder Tierknochen bestimmt, die aus denselben archäologischen Schichten stammen. 1931, als der Vogelherd innerhalb kürzester Zeit ausgegraben wurde, war die genaue Erfassung von Fundstücken in den Fundschichten noch nicht die Regel. Die exakte Fundlage der Eiszeitkunstfiguren wurde nicht dokumentiert. Der Ausgräber, Gustav Riek, spricht im Zusammenhang mit der Eiszeitkunst von den beiden archäologischen Fundhorizonten IV und V. Aus dem Sammlungsbestand des Vogelherds wurden in der Vergangenheit mehrere Datierungen mit der 14C-Methode an Knochen und Knochenkohle vorgenommen. Es ergibt sich für die beiden Eiszeitkunstschichten eine Altersbandbreite von 26.000 bis 33.000 Jahren. Diese Altersangabe entspricht den Zerfallsjahren des instabilen Kohlenstoffs, aber nicht wirklich den Kalenderjahren. Die gemessenen Werte müssen kalibriert, also den normalen Kalenderjahren angepasst werden. Es ergibt sich so ein tatsächliches Alter für die Schichten IV und V von 30.000 bis 37.000 Jahren.
Da die beiden neuen Funde aus dem Abraum der Grabung von 1931 stammen, ist keine konkrete Schichtzuordnung mehr möglich.
Das wollhaarige Mammut
Das Mammut ist sicher das bekannteste Tier der Eiszeit. Unter „Mammut“ wird allgemein das wollhaarige Mammut (Mammuthus primigenius) verstanden. Das Mammut war mit seinem kompakten Körperbau sehr gut an die eiszeitliche Umwelt angepasst. Aufgrund der Funde von Kadavern aus dem auftauenden Permafrostboden Sibiriens und der ausgezeichneten Beobachtungsgabe der eiszeitlichen Künstler, wissen wir heute sehr viel über diese Tierart. Männliche Tiere konnten bis zu 3,4 Meter hoch werden, Weibchen erreichten bis zu 2,9 Meter. Ihr Gewicht betrug zwischen vier und sechs Tonnen. Ohren und Schwanz waren nur klein ausgebildet. Unter einer Schicht von 90 Zentimeter langen Schutzhaaren befand sich eine bis zu acht Zentimeter lange Pelzschicht mit dünnen Haaren. Die Deckhaare waren blond, braun oder fast schwarz. Zusätzlichen Käteschutz bot eine bis zu zehn Zentimeter dicke Fettschicht unter der Haut.
Die typische abfallende Rückenlinie ist von vielen eiszeitlichen Kunstdarstellungen bekannt. Je nach Alter zeigt diese Rückenlinie eine andere Form.
Mammuts waren Herdentiere und lebten in der eiszeitlichen Steppenlandschaft. Die Kaltsteppe unserer geographischen Breite bot eine Fülle an Nahrung für Pflanzenfresser. Die Ernährung der Mammuts konzentrierte sich hauptsächlich auf Gräser, ergänzt durch Kräuter, Sträucher und Blätter. Ein ausgewachsenes Tier vertilgte täglich schätzungsweise rund 200 Kilogramm frisches Grün. Aus den bis zu vier Meter langen Stoßzähnen wurden die eiszeitlichen Kunstwerke, aber auch Schmuck und Werkzeuge hergestellt.
Mammutdarstellungen in der Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb
Aus dem Geißenklösterle bei Blaubeuren ist eine Mammutfigur bekannt. Die Fundschichten des Geißenklösterle sind aufgrund der moderneren Grabungstechniken wesentlich besser datiert als der Vogelherd. Es kann für die Eiszeitkunst vom Geißenklösterle von einem Alter von 37.000 bis 40.000 Jahren ausgegangen werden.
Aus der Vogelherdhöhle sind bis heute insgesamt sechs Mammutdarstellungen bekannt. Vier Figuren wurden aus Elfenbein geschnitzt. Eine weitere Abbildung ist in einen Knochen geritzt und eine andere aus Sandstein graviert worden.
Die neu entdeckte Mammutfigur aus der Nachgrabung am Vogelherd ist vollständig erhalten und zeigt bei einer Größe von nur 3,7 Zentimeter alle typischen Merkmale eines Mammuts. Am Kopf sind kleine Ohren und Augen angedeutet. Links und rechts vom gebogenen Rüssel sind mit Einschnitten die Ansätze der Stoßzähne markiert. Die Figur zeigt nur wenige Verzierungen. Auf der Stirn sind sechs kurze Querkerben erkennbar. Die Fußsohlen weisen ein Kreuzmuster auf. Die Rückenlinie ist aufgewölbt, was für die Darstellung eines Jungtiers sprechen würde. Vermutlich wurden am Vogelherd neu geborene Mammuts gejagt. Die kleinen Milchstoßzähne der Tiere wurden unter den Resten der Jagdbeute gefunden.
Das ebenfalls im Original ausgestellte große, vollplastische Mammut wurde 1931 ausgegraben. Die Figur ist fast komplett erhalten und zeigt ein ausgewachsenes Tier. Typisch dafür sind die Kopfform mit dem auffälligen Höcker und die klare Abgrenzung im Nacken zur abfallenden Rückenlinie. Die Oberfläche ist wie bei den meisten anderen Figuren stark poliert. Die ursprünglich weiße Elfenbeinoberfläche ist durch Bodenmineralien eingefärbt. Auffällig ist ein komplexes Kerbmuster, dessen symbolische Bedeutung im Dunkeln liegt.
Bei der Nachgrabung am Vogelherd wurde ein bearbeitetes Elfenbeinstück entdeckt, das zu einer bisher unbekannten Mammutfigur gehört. Das scheibchenförmige Bruchstück ist an der Grenze der Wachstumsringe des Mammutelfenbeins abgeplatzt. Die restlichen Bruchstücke sind noch nicht bekannt. Das zeigt, wie wichtig die Auswertung des Grabungsaushubs von 1931 ist.
Raubkatzendarstellungen in der Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb
Während der letzten Eiszeit lebten verschiedene große Raubtiere in Europa. Neben Höhlenlöwen gab es auch Schneeleoparden und Höhlenhyänen. Ihre Lebensgrundlage waren die großen Tierherden der Mammutsteppe.
Typisch für die Eiszeitkunst des Aurignacien sind Darstellungen von Mischwesen aus Tier und Mensch. Weithin bekannt ist der Löwenmensch aus dem Hohlenstein-Stadel im Lonetal. Vom Vogelherd sind insgesamt vier Figuren von Großkatzen bekannt. Neben zwei Löwendarstellungen und die eines Schneeleoparden, wurde jetzt bei der Nachgrabung eine weitere Raubkatzenfigur entdeckt.
Die Figur des neuen Löwen hat die Jahrtausende nicht unbeschadet überstanden. Die 5,6 Zentimeter lange Plastik ist der Länge nach an einem Wachstumsring des Mammutelfenbeins gebrochen. Die Darstellung zeigt das typische Bewegungsmuster eines lauernden Löwen. Die Katze duckt sich auf den Boden, der lang gestreckte Körper ruht zwischen den Beinen, so dass die Schulterblätter deutlich hervor treten. Sie überragen als Bögen die Rückenlinie. Auffällig ist das sorgfältig gearbeitete Kerbmuster. Eine Reihe von 30 Kreuzen zieht sich vom Hals über den Rücken nach hinten. Die Schulter ist zusätzlich durch senkrechte Kerben gekennzeichnet. Die Kerbmuster sind typisch für die Eiszeitkunst vom Vogelherd. Sie sind sicher mehr als reine Verzierung, ihre Bedeutung hat sich den Archäologen jedoch noch nicht erschlossen.
INFO:
Die Ausstellung ist zu sehen von Donnerstag, dem 1. November, bis, Sonntag, 4. November. Geöffnet ist das Museum jeweils von 10 bis 20 Uhr.
Besucherinformationen, Eintrittspreise und Anfahrtsskizze unter www.urmu.de