Derart große Gänge und Halle sind eine Sensation
Dr. Wolfgang Ufrecht ist Geologe und stellvertretender Vorsitzender des Laichinger Höhlenvereins. Mehrfach hat er die Blaubeurer Vetterhöhle erkundet. Von dem, was er dort gesehen hat, und was ihm Taucher aus der Blautopfhöhle berichten, ist der Experte beeindruckt. Joachim Striebel, Redakteur der Südwest Presse hat vor dem Höhlenwandertag am 1. Mai in Blaubeuren folgendes Interview geführt, das in der Südwest Presse (SWP) veröffentlicht wurde.

Im Blauhöhlensystem wurden große Gänge und riesige Hallen entdeckt. Ist das für den Geologen überraschend?
WOLFGANG UFRECHT: Obwohl man in der Alb größere Höhlen, etwa die sechs Kilometer lange Falkensteiner Höhle, kennt, sind derart große Hallen und Gänge eine absolute Sensation. Die Hallen in Blaubeuren erreichen eine Dimension, die man sonst von der Alb wirklich nicht kennt. So bin ich natürlich schon überrascht. Das gilt auch für die reichen Tropfsteinvorkommen. Davon ist jeder beeindruckt, auch wenn er kein Geologe oder Höhlenforscher ist. An der bisher hintersten Stelle sind die Forscher vier Kilometer vom Blautopf entfernt.
Wie weit kann sich das Höhlensystem erstrecken?
UFRECHT: Das ist völlig offen. Wasser, das in bis zu 20 Kilometern Entfernung in Zainingen oder Westerheim versickert, kommt im Blautopf zum Vorschein. Von Laichingen aus hat das Wasser eine hohe Fließgeschwindigkeit bis zu 350 Metern pro Stunde. Da können unterirdisch nicht nur Spalten sein. Auch wenn man jetzt einen vier Kilometer langen Gang hat, ist man noch am untersten Zipfel des Systems. Es kann aber sein, dass der Hauptgang relativ kurz ist und es viele Seitengänge gibt. Es gibt noch keine Technik, um Höhlen von oben zu orten.
Ist ein Zugang über die Hessenhaudoline in die Blautopfhöhle realistisch?
UFRECHT: Das könnte durchaus möglich sein. Das ist die Idee, die jeden beflügelt, die zusammenschweißt. Die Grabung läuft vereinsübergreifend, fünf Vereine sind beteiligt. Das ist eine tolle Sache.
Was interessiert den Geologen?
UFRECHT: Die Frage ist, warum so große Höhlensysteme gerade in Blaubeuren anzutreffen sind. Sind die Höhlen Zufallsgebilde oder sind günstige geologische Vorbedingungen gegeben? Wie läuft die Entstehung ab und wie alt sind die Höhlen? Verkarstung und Höhlenbildung sind Zeugnisse der landschaftsgeschichtlichen Entwicklung der Alb. Wenn man sich mit den Höhlen befasst und deren Entstehungsgeschichte zu verstehen versucht, können sie auch den Schlüssel zum Gesamtverständnis der geologischen Prozesse darstellen. So nimmt es nicht wunder, wenn mit den Entdeckungen in der Blautopfhöhle und der Vetterhöhle auch das geowissenschaftliche Interesse geweckt wird. Im Wassereinzugsgebiet des Blautopfs ist jetzt ein Forschungsprogramm gestartet worden, an dem Höhlenforscher und Universitätsinstitute beteiligt sind. Dass beide Disziplinen Hand in Hand arbeiten, ist mir ganz besonders wichtig. Das gilt vor allem für die Leistungen der Forscher, die in strapaziöser Vorarbeit die Höhlensysteme erkunden und in zahlreichen Befahrungen vermessen. Mit Hilfe von Daten aus der Höhle und aus der Landschaft werden wir ein Modell der Verkarstungsgeschichte entwickeln. Das ist ein weiterer Baustein, um die Entstehungsgeschichte des Blauhöhlensystems zu rekonstruieren.
Sind die Höhlen vielleicht doch älter als bisher von Wissenschaftlern angenommen?
UFRECHT: Wir haben in der Vetterhöhle spannende Sachen gesehen, Einzelnes, das wir nicht erklären können. Die Untersuchungen werden auf das ganze Einzugsgebiet des Blautopfs und auf viele weitere Höhlen ausgedehnt. Eines steht jetzt schon fest: Aus der Größe der Hallen und Gänge kann man nicht schließen, dass die Höhlen sehr alt sein müssen. Beispiele aus anderen Karstgebieten zeigen, dass schon nach wenigen Zehntausenden von Jahren begehbare Höhlen entstehen können.
Werden zur Untersuchung auch Tropfsteine abgeschlagen?
UFRECHT: Bisher haben wir aus der Vetterhöhle noch nichts entnommen. Das darf nicht willkürlich geschehen, nur dort, wo es wissenschaftlich vertretbar ist. Es bräuchte eine Genehmigung des Landratsamts. Mit Tropfsteinen muss man ganz sensibel umgehen. Ein in der Blautopfhöhle unter Wasser entnommener Tropfstein ist von Professor Mangini in Heidelberg untersucht worden. Wachstumsschübe geben Hinweise auf das Klima zur Zeit der Entstehung. Das ist jetzt hochinteressant für die Klimaforschung.