Altes Reh-Pergament in Höhle gefunden
JERUSALEM Nur sieben Zentimeter lang ist das Stück Pergament, das die israelische Zeitung „Jedijot Achronot“ als „Weltsensation“ feiert, meldet die Katholische Nachrichtenagentur (KNA). 36 Zeilen des biblischen Buches Levitikus sind auf einem winzigen Stück Reh-Leder zu erkennen. Die vor 2000 Jahren mit Tinte geschriebenen hebräischen Buchstaben gehören zu den berühmten Tote-Meer-Rollen, die 1948 in den Höhlen der ehemaligen Siedlung Qumran entdeckt wurden. Sie sind Teil einer umfangreichen Bibliothek jüdischer Schriften aus der Zeit Jesu, meldet KNA.
Die Entdeckungsgeschichte des neuen Pergaments ist abenteuerlich:
Im August 2004 wandten sich Beduinen aus der Gegend von Ein Geddi, vermutlich Antiquitätenräuber, an den Qumranforscher Chanan Eschel von der Bar Ilan Universität. Sie baten ihn anonym, den Wert eines Schriftfundes in ihrem Besitz zu schätzen. Eschel weigerte sich zunächst, weil er nicht zum Mittäter des in Israel streng verbotenen Antiquitätenraubes werden wollte. Er verwies außerdem darauf, dass Schriftfunde im Gegensatz zu Münzen oder Keramik einzigartig seien und deshalb nicht auf ihren Geldwert geschätzt werden könnten. Auch einen Kauf lehnte er ab – aus Furcht, dass er damit andere zur illegalen Suche von Antiquitäten animieren könnte.
Dennoch setzte sich der Kontakt mit den Beduinen fort: Nach einigen Wochen erlaubten sie es einem Mitarbeiter Eschels, den Fund zu fotografieren. Als der Wissenschaftler dann die Fotos sah, erkannte er die herausragende Bedeutung. Zugleich erfasste er aber, dass das Leder, welches 2.000 Jahre lang in einer extrem trockenen Höhle am Toten Meer wunderbar erhalten geblieben war, sich nun in einem schlechten Zustand befand. Eschel gelang es daraufhin, den Räubern den biblischen Fund mit der Hilfe einer Stiftung für 3.000 Dollar abzukaufen. Danach legte er das Pergamentstück dem Hauptverantwortlichen für Antiquitätenraub bei der israelischen Antikenbehörde vor.
Als eigentliche Sensation sehen es die israelischen Archäologen nun an, dass der Fund in Nachal Arugot, einem Fluss nahe Ein Geddi am Toten Meer, gemacht wurde. „Das bedeutet, dass die Wissenschaftler zu früh die Hoffnung aufgegeben haben, noch weitere Qumranrollen in der Wüste zu finden. Dieser Fund bestätigt, dass es noch weitere Höhlen geben muss, in denen sich Juden bei ihrer Flucht vor den Römern im Jahr 135 nach Christi versteckt haben und in denen sie ihre schriftlichen Dokumente hinterlassen haben“, sagte Eschel der „Jedijot Achronot“.
Laut seinen Angaben konnten bislang 14 Schriftfunde den Flüchtlingen des so genannten Bar Kochba Aufstandes im Jahr 135 zugeordnet werden. Dies sei nun der 15. Text. Während zwei oder drei Wochen versteckten sich die Aufständischen in den Höhlen am Toten Meer, bis sie von den Römern gefasst oder in den Höhlen gestorben seien, wie der Fund von Skeletten beweist.
Der Forscher zieht noch weitere Rückschlüsse aus dem Pergament. Die Schriften wurden – wie bis heute im Judentum üblich – gerollt, sodass nur der „offene“ Text zwischen den beiden Rollen gelesen werden konnte. Lediglich solche Fragmente blieben aber über die Jahrhunderte erhalten, während der aufgerollte Teil von der darin gespeicherten Feuchtigkeit zerstört wurde. Für Eschel beweist der entdeckte Text, dass die Anhänger des Bar Kochba das Buch Levitikus, also den wöchentlichen Bibeltext während des Passahfestes von 135, gelesen haben und somit noch bis Frühjahr 135 ein normales jüdisches Leben führten. Bislang gingen die Wissenschaftler auf Grund gefundener Früchte in Höhlen davon aus, dass die Aufständischen dies nur bis Herbst 134 pflegen konnten.