Per Lift in den Blautopf

BLAUBEUREN Stadtrat, Hobby-Skiliftbetreiber und pensionierter Bäckermeister in Personalunion – der Blaubeurer Erich Straub kann nicht über mangelnde Energie klagen. Über fehlende Ideen auch nicht: Jetzt schwebt ihm ein Aufzug in den Blautopf vor, der Touristen anziehen soll.
Erich Straub hat eine Vision: „Ich will runter in den Blautopf – nicht tauchen, aber mit einem Aufzug. Da muss es doch eine Möglichkeit geben!“ Der 66- jährige, pensionierte Bäckermeister blickt entschlossen. Der erst teilweise erforschte Quellsee, dessen Wasser aus einem unterirdischen Höhlensystem fließt, ist nur einige hundert Meter Luftlinie von seinem Haus entfernt. Straub will nicht nur aus persönlicher Neugier in das türkisblaue Wasser steigen. „Ich denke Tag und Nacht daran, wie wir Blaubeuren beleben können“, sagt Straub, der seit 30 Jahren die Geschicke der 12.000-Einwohner Gemeinde maßgeblich als Stadtrat mitbestimmt. Ein „begehbarer“ Blautopf wäre eine Touristenattraktion, ist Straub überzeugt.
Sein Leben lang hat Straub für Visionen und konkrete Projekte gekämpft – von der Umgehungsstraße in den 70er Jahren bis zur Freibad-Renovierung in den 90ern: Seit 1975 sitzt Straub für die Freie Wählergemeinschaft im Gemeinderat, führt seit 1980 die Fraktion an und ist stellvertretender Bürgermeister.
Als „Weltrekordbäcker“ hat er unter anderem mit der größten Schwarzwälder-Kirsch-Torte der Welt soziale Belange der Stadt unterstützt, stand fast 30 Jahre dem Gesangsverein vor und sorgt seit 35 Jahren „hobbymäßig“ mit seinem Skilift in Beiningen für heimatnahen Wintersport-Tourismus.
„Blaubeuren ist nicht irgendeine kleine Stadt. Sie ist meine Heimat; für Blaubeuren tue ich alles“, sagt Straub. Dass seit dem Bau eines Einkaufszentrums der mit viel Liebe renovierte Altstadtkern verödet, macht ihm viele Sorgen. „Aufbauen ist Arbeit – aber abbauen ist viel schwieriger.“ Aufbauarbeit hat der drahtige Mann mit den schlohweißen Haaren sein ganzes Leben geleistet: Die Bäckerei war 170 Jahre lang in Familienbesitz. Mit bis zu 20 Mitarbeitern haben Straub und seine Frau von früh bis spät „geschafft“. Vor drei Jahren schließlich hat er das Geschäft verkauft, weil der Sohn, gelernter Bäcker, sich nicht vorstellen konnte, diesen Beruf sein Leben lang auszuüben. „Heute ist er Pilot“, sagte Erich Straub – und trotz der Enttäuschung über das nicht fortgeführte Erbe schwingt Stolz in seiner Stimme mit. Wenn – wie in diesem Jahr – im Winter die Schneeflocken so hartnäckig vor Straubs Haus tanzen, freut sich der unermüdliche Schwabe: Jeden Tag fährt er zum eigenen Skilift nach Beiningen. „Reich wird man nicht damit“, lacht Straub. Doch er ist zufrieden, wenn Skifans aus der ganzen Region seinen Hügel hinunterschwingen. Als Straub noch um zwei Uhr früh aufstand, um zu Backen, hat er im Winter nach getaner Arbeit „nur schnell die Montur gewechselt“ und ist zum Skilift gefahren. „Da bin ich abends dann nur noch ins Bett gefallen“, erinnert er sich.
dpa-Artikel aus Südwest-Presse Laichingen vom 24.02.2005